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Zielorientiert streiten = Vertragserfüllung gerichtlich erzwingen?
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Wer die Nase gestrichen voll hat, der will kein sanftes außergerichtliches Schlichtungsverfahren, sondern der Konfliktgegner soll bluten! Wie beim Krieg kommt es nicht darauf an, dass man selbst einen Vorteil hat; den Gegner zu schwächen oder wenigstens zu ärgern wird als Vorteil empfunden. Wenn beim Gegner mehr zertrümmert wird als im eigenen Land, fühlen Krieger sich als Gewinner. Gewalt ist auch im Geschäftsleben die erste Wahl, um einen eskalierten Streit zu „schlichten“. Wobei ‑ auch aus rechtlichen Gründen ‑ sich physische Gewalt verbietet. Psychische Gewalt, insbesondere wenn sie über einen Rechtsanwalt angewandt wird, ist jedoch ein probates Mittel eine Streitbeilegung zu betreiben. Bei einem Krieg ist es nicht ungewöhnlich, dass der Angegriffene vom Angriff überrascht wird. Deshalb unterbleibt auch unter Geschäfts-„Partnern“ regelmäßig der Drohbrief, der das Klageverfahren rechtzeitig ankündigt.
Alternative Streitschlichtungsverfahren kommen in solchen Fällen nur zum Einsatz, wenn sie vorher vertraglich vereinbart wurden; dies ist in der Regel von Vorteil für den Streitgegner; der Angreifer fühlt sich von diesen Vereinbarungen in der Regel behindert und er verliert durch eine solche Vereinbarung sein Überraschungsmoment.
Nachfolgend sollen nur zivilrechtliche Meinungsverschiedenheiten berücksichtigt werden, die aus unterschiedlichem Vertragsverständnis entstehen und vor einem Landgericht verhandelt werden könnten.
Vereinbarungen wertlos?
Auch wenn die Parteien eine alternative Streitschlichtung vereinbart haben, muss diese von den Parteien nicht tatsächlich gewünscht sein. Da man beim Vertragsabschluss nicht von einem zukünftigen Streit ausgeht, werden solche Vereinbarungen teilweise unüberlegt unterschrieben; die Konsequenzen einiger Schlichtungsvereinbarungen sind auch Juristen nicht immer bewusst. Regelmäßig werden klagende oder antragsstellende Parteien solche Vereinbarungen ignorieren und Beklagte (bzw. Antragsgegner) nicht konsequent genug auf der Vereinbarung beharren. Auch Richter lassen regelmäßig Klageverfahren zu, obwohl eine außergerichtliche Streitschlichtung vertraglich zwingend vereinbart wurde und durch die Vereinbarung ein ordentliches Gerichtsverfahren verhindert oder verschoben werden sollte.
Ein vereinbartes Mediationsverfahren gilt z.B. als grundsätzlich freiwilliges Verfahren, das gemäß regelmäßiger Rechtsauslegung jederzeit ‑ d.h. auch vor dessen Beginn ‑ von jedem „Teilnehmer“ beendet werden kann. Eine typische Mediationsklausel hat deshalb keinen Wert, wenn der Antragssteller dies weiß und so auslegt.
Erster Weg zum Anwalt
Wenn man durch eine entsprechende vertragliche Vereinbarung nicht daran gehindert wird, führt der Weg üblicherweise über einen Anwalt zu einem staatlichen Gericht. Neben der Möglichkeit zu klagen, kann bei Gericht auch ein Selbständiges Beweisverfahren [ZPO § 485] durchgeführt werden. Das Selbständige Beweisverfahren wird meist als Vorbereitung auf ein gerichtliches Klageverfahren angesehen; es kann aber auch einen Rechtsstreit verhindern oder den Streitwert reduzieren. Der normalerweise genannte Vorteil, dass das selbständige Beweisverfahren besonders schnell ist, muss relativiert werden, in der Praxis dauert ein Selbständiges Beweisverfahren manchmal auch deutlich länger als ein Jahr. Da das Selbständige Beweisverfahren kein Klageverfahren ist, befindet man sich auch (offiziell noch) nicht im Streit. Klauseln die ein außergerichtliches Verfahren vor Eröffnung eines gerichtlichen Streitverfahrens vorschreiben, greifen deshalb beim Selbständigen Beweisverfahren nicht. Falls es nach dem Selbständigen Beweisverfahren zu einer Klage kommt, fallen dafür die normalen Gerichtskosten an, d.h. durch ein vorgeschaltetes Selbständiges Beweisverfahren erhöhen sich die Gesamtkosten, sofern der Streitwert mit Hilfe des Selbständigen Beweisverfahrens nicht reduziert wurde. Ein Selbständiges Beweisverfahren zu beantragen ohne den Willen zu haben sich zumindest in Einzelpunkten gütlich einigen zu wollen ist deshalb nicht empfehlenswert.
Chance: Güte(richter)verhandlung
“Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus ...“ [§ 278 ZPO]; insbesondere bei komplexen Sachverhalten wird „das Gericht [...] die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen.“ Ein Güterichter ist ein Richter am selben Gericht, der in der Regel über eine Mediationsausbildung verfügt. Er „kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen“. Da er von Beruf Richter ist besteht nicht die Gefahr, dass er eine »Räucherstäbchenmediation« veranstaltet, er wird vielmehr auch die rechtliche Seite beleuchten und Risiken des Klageverfahrens aufzeigen. Es muss kein sanftes Verfahren sein, sondern die Parteien können in einen Vergleich geführt werden. Die Erfolgsquote ‑ zumindest für eine Teileinigung ‑ ist sehr hoch. Sollte der Vorsitzende Richter ein Güterichterverfahren vorschlagen, aber eine Partei erklärt, dass eine gütliche Einigung erkennbar aussichtslos erscheint, wird die Güte(richter)verhandlung in der Regel nicht statt finden. Wenn der Streit noch nicht eskaliert ist und man sich noch nicht im kriegerischen Konflikt befindet, ist eine Güterichterverhandlung bei eingereichter Klage immer sinnvoll. Die übliche Güteverhandlung vor dem Vorsitzenden Richter wird ‑ insbesondere von Rechtsanwälten ‑ häufig nicht als ernsthafte Schlichtungsbemühung angesehen.
Falls „nur“ ein Selbständiges Beweisverfahren beantragt wurde, kann es keine Güte(richter)verhandlung geben, da man sich nicht im Streit befindet.
Alternative zum staatl. Gericht
Die 3 Verfahren: Klage, Selbständiges Beweisverfahren, Güteverhandlung können auch ohne ein staatliches Gericht durchgeführt werden. Statt der Klage kann ein Schiedsgerichtsverfahren nach §§ 1035 ff ZPO (engl. Arbitration) durchgeführt werden. Das Schiedsgericht kann (wenn vertraglich so vereinbart) genauso wie ein staatliches Gericht verhandeln und entscheiden, in der Regel sind die Verhandlungen nicht öffentlich, die Zusammensetzung des Gerichts kann von den Parteien vorher vereinbart werden; so wird den Vorsitz regelmäßig ein Berufsrichter übernehmen und jede Partei bestimmt als Beisitzer z.B. jeweils einen Sachverständigen. Weitere Unterschiede zum Klageverfahren sind: Der Verhandlungsort kann frei vereinbart werden, die Verfahrensdauer kann deutlich kürzer sein und die Verhandlungssprache kann z.B. auch englisch sein; die Kosten für ein Schiedsgerichtsverfahren sind bei kleinen und mittleren Streitwerten meist höher als beim staatlichen Gericht.
Ein selbständiges Beweisverfahren könnte auch von einem Sachverständigen durchgeführt werden. In der Praxis macht es jedoch Sinn, dass die Arbeit des Sachverständigen von einer unabhängigen Stelle begleitet wird, hier bietet sich insbesondere eine staatlich anerkannte Gütestelle [Anm.: Die staatliche Anerkennung als Gütestelle und die Aufgaben der Gütestelle sind in den Bundesländern nicht einheitlich geregelt, hier ist eine in Niedersachsen staatlich anerkannte Gütestelle nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gemeint, die in der Regel bundesweit oder auch international zuständig ist; der Begriff »Gütestelle« wird teilweise auch für andere Schlichtungsstellen und Schiedsämter verwendet, siehe auch: http://www.justizportal.niedersachsen.de/themen/zivilrecht_oeffentliches_recht_aussergerichtliche_streitschlichtung_und_mediation/externe_schlichtungsangebote/schlichtungseinrichtungen/anerkannte-guetestellen-nach--794-abs-1-nr-1-zpo-zur-beilegung-zivilrechtlicher-streitigkeiten-132310.html ] an, über die dann auch die Anträge der Parteien laufen. Vorteile des außergerichtlichen Verfahrens sind, dass der Sachverständige und die Gütestelle namentlich von den Parteien vertraglich vereinbart werden können. Natürlich muss wie bei allen alternativen Streitschlichtungen diese Vereinbarung bei Vertragsabschluss geschlossen werden. Statt der Gütestelle kann auch eine andere geeignete Person die Kontrolle über das Verfahren übernehmen. Eine Güteverhandlung kann statt von einem Güterichter auch von einer staatlich anerkannten Gütestelle durchgeführt werden und zwar unabhängig davon ob eine Klage eingereicht wurde oder nicht. Da man sich mit der Gegenseite auf eine Gütestelle einigen müsste, ist diese Möglichkeit bei laufenden Verfahren eher von „akademischen Interesse“.
Vertraglich vereinbart?
Sachverständigenverfahren und Schiedsgutachterverfahren klingen ähnlich, es sind aber vollkommen unterschiedliche Verfahren. Sachverständigenverfahren findet man insbesondere in den Vertragsbedingungen von Versicherungen zur Ermittlung einer Schadenshöhe. Hier vertritt jeweils ein Sachverständiger eine Partei und falls die Sachverständigen sich nicht auf einen Schadensbetrag einigen können, wird ein dritter Sachverständiger als Obmann einen Wert festlegen, der sich zwischen den Wertermittlungen der beiden Parteien befindet. Nach Abschluss des Sachverständigenverfahrens steht in der Regel der Klageweg weiterhin zur Verfügung. Ein Schiedsgutachterverfahren findet man insbesondere auch in den Bedingungen von Rechtsschutzversicherern. Hier soll jedoch nur das Schiedsgutachterverfahren, das als Schiedsgutachterabrede nach §§ 317 ff BGB üblicherweise in Verträgen vereinbart wird, betrachtet werden. Der Schiedsgutachter entscheidet einen Streitfall endgültig und zwar nach „billigem Ermessen“; d.h. der Sachverständige muss alle Streitpunkte begutachten, um zu einer gerechten Lösung zu kommen. Wenn er klar und deutlich diese Punkte beschreibt und nachvollziehbar darlegt, wie er warum zu dieser Lösung gekommen ist, dann ist seine Entscheidung für alle Parteien verbindlich und endgültig. Wenn eine Partei die Entscheidung des Schiedsgutachters nicht anerkennen will und eine Überprüfung durch ein ordentliches Gericht verlangt, wird dieses Gericht zunächst nur die Billigkeit prüfen und nur im Falle der Unbilligkeit eine Klage zulassen. Die Schiedsgutachterabrede ist deshalb sehr überlegt zu wählen; dem Vorteil schnell, relativ preisgünstig eine endgültige Entscheidung zu erhalten, steht das Risiko gegenüber, dass die Entscheidung nicht dem eigenen Rechtsempfinden genügt. Es wird deshalb dringend empfohlen in einer Schiedsgutachterabrede den Schiedsgutachter vor Vertragsabschluss nach seiner Bereitschaft zu fragen im Streitfalle als Schiedsgutachter tätig zu werden und ihn im Vertrag namentlich zu nennen. Die Auswahl des Schiedsgutachters z.B. der IHK zu überlassen oder Institutionen oder große Prüforganisationen zu benennen ist zwar deutlich einfacher, aber birgt auch erhebliche Risiken.
Selbstlose Anwälte?
Eine Rechtsberatung wird in Deutschland durch Rechtsanwälte durchgeführt. Als Unternehmer werden sie neben den Interessen ihres Mandanten natürlich auch ihre eigenen wirtschaftlichen Belange berücksichtigen. Während eines ernsthaften Einigungsversuchs wie z.B. vor einem Güterichter bewerten Anwälte Risiken eines evtl. folgenden Klageverfahrens meist anders, als im Erstgespräch mit ihren Mandanten.
Fazit
Wenn jemand zum Anwalt geht um sein Recht durchzusetzen, hat er bereits erfolglos versucht sein Recht außergerichtlich zu bekommen. Ein außergerichtliches Verfahren mit Hilfe eines neutralen oder allparteilichen Dritten wird er nicht in Erwägung ziehen; deshalb kommt eine alternative Streitschlichtung nur zum Einsatz, wenn diese vorher vertraglich festgeschrieben wurde. Wenn der Klageweg beschritten wird und das Gericht den Fall an einen Güterichter verweisen will, sollte man diesem Verfahren eine Chance geben. Vertragliche Vereinbarungen über außergerichtliche Streitschlichtungen sind häufig fehlerhaft oder die Unterzeichner sind sich über die Konsequenzen nicht im Klaren; insbesondere von Schiedsgutachterabreden ohne namentliche Nennung des Schiedsgutachters oder/und Begrenzung der Streitsumme wird abgeraten. Um eine Verjährungshemmung zu erreichen muss nicht ein staatliches Gericht angerufen werden. Wer sich die Mühe macht eine Vereinbarung zur außergerichtlichen Streitschlichtung sorgfältig zu formulieren wird sie nicht brauchen, da dann hoffentlich der gesamte Vertrag entsprechend vorausschauend formuliert ist. Wegen der nicht öffentlichen Verhandlung und der internationalen Vollstreckbarkeit werden Schiedsgerichtsverfahren vereinbart; einfachere, schnellere und kostengünstigere Alternativen sind den Vertragspartnern häufig unbekannt. Ein Selbständiges Beweisverfahren beim Gericht zu beantragen macht insbesondere Sinn, wenn die Fronten noch nicht festgefahren sind und eine gütliche Einigung wenigstens in einigen Punkten möglich erscheint.
Abb. 1 Wegweiser helfen nur dem, der den Weg sucht
Abb. 2 Obwohl der Ausblick nicht klar ist, gibt es keine Zweifel, da man glaubt jedes Detail zu sehen?
Abb. 3 Einen Streit nicht annehmen und einfach seines Weges ziehen, ist manchmal die stress- und kostenärmere Lösung
Abb. 4 Den Überblick zu behalten kann schwierig sein
Abb. 5 Eine Umkehr oder Richtungsänderung ist häufig schwierig, wenn man sich für einen Weg entschieden hat
Abb. 6 Überlegter Rückzug verlängert das Leben
Abb. 7 Steine im Weg müssen nicht immer weggeräumt werden
Abb. 8 Eine einladende Brücke betreten, obwohl man das andere Ende nicht kennt?
Abb. 9 Jeden Schritt gezielt setzen gebietet die Vorsicht
Abb. 10 Wenn die Zähne nicht mehr greifen – Sachverständiger zur Tatsachenfeststellung oder als Richter?
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